Betrachtungen zum Wahlverhalten der Jungwähler

Betrachtungen zum Wahlverhalten der Jungwähler

Zudem herrscht insofern kein Vertrauen in die Politik, als dass man sich vom Gang an die Wahlurne außer Bildung einer politischen Identität keine sichtbaren Erfolge im Ursache-Wirkungs- Schema verspricht.

JONATHAN KANBIÇAK - Betrachtungen zum Wahlverhalten der Jungwähler Vorab: Dass die Wahlbeteiligung über die letzten Jahre konstant gering ist und dass dies vor allem auf die Jungwähler (18 – 25 Jährige) im Verhältnis von Wahlberechtigten zu tatsächlich Wählenden zutrifft, ist allgemein bekannt und bedarf hier daher keiner zahlenmäßigen Unterlegung durch das Aufzeigen einer weiteren enttäuschenden Statistik.

Die Frage, die jene immer wieder aufs Neue provoziert, ist so offensichtlich wie die Wahlplakate, die in den immer gleichen Zyklen in den Städten unserer Bundesrepublik auftauchen und doch scheinbar Wenige erreichen: Weshalb ist die Wahlbeteiligung so niedrig?

Nun folgen einige Erklärungsversuche keine - Rechtfertigungsversuche! - meinerseits, die sich aus Alltagsbeobachtunn zu dem politischen Bewusstsein und dem Wahlverhalten meines Freundeskreises speisen und daher selbstverständlich weder wissenschaftlich sind, noch wird hier Geltungsanspruch für andere Milieus erhoben. Dazu muss gesagt sein, dass dieser Freundeskreis sich sowohl aus Studierenden als auch aus Nichtstudierenden im Alter von Anfang zwanzig zusammensetzt und alle ihm angehörenden aus einigermaßen bürgerlichen Verhältnissen stammen.

Politik wird prinzipiell als etwas Ehrwürdiges wahrgenommen. In der allgemeinsten Form herrscht das Bewusstsein, dass das Privileg des Lebens in einer demokratischen Gesellschaft politische Partizipation verlangt und jegliches Engagement in diese Richtung lobenswert ist.

Gleichzeitig haftet der etablierten Politik, wie man sie z.B. in Nachrichtensendungen erlebt, stets ein spießiger Beigeschmack an, welcher sich aus der Instrumentalisierung der Politik zu einem Berufsfeld und dem daraus resultierenden standardisiertem Verhaltenskodex, der politische Karrieren ermöglicht, ergibt. Eben diese Interpretation des Politischen erzeugt in den sich in mehr oder weniger alternativen Lebensformen Befindenden und diese zelebrierenden eine erste Ablehnung.

Zudem herrscht insofern kein Vertrauen in die Politik, als dass man sich vom Gang an die Wahlurne außer Bildung einer politischen Identität keine sichtbaren Erfolge im Ursache-Wirkungs- Schema verspricht. Das Nutzen seiner Wählerstimme scheint keinen bemerkbaren oder gar bahnbrechenden Umschwung der politischen Verhältnisse zu erzeugen und die Haltung „Es ändert sich doch sowieso nichts“, im Extremfall bestärkt durch die Unterstellung verschwörerisch agierender gesellschaftlicher Kräfte, droht sich im Geiste einzunisten.

Ob man dennoch wählen geht oder nicht, scheint oft von der Ausprägung eines bürgerlichen Pflichtgefühls zur politischen Mündigkeit abzuhängen, welches hauptsächlich über das Elternhaus vermittelt oder eben nicht vermittelt wird. Niedere Beweggründe wie z.B. das schlichte Vergessen und Verpassen des Wahltermins werden im besten Fall durch das elterliche Insistieren ausgemerzt.

Ein weiterer Faktor, der sich negativ auf die Wahlbeteiligung dieser Jungwähler auswirkt, betrifft das rebellische Selbstverständnis derjenigen, die die höchste politische Affinität aufweisen.

Diese sehen sich meist als Linksradikale, wodurch der Boykott des politischen Etablissements in Gestalt des Nichtwählens als konsequenteste Form des Kritischen paradoxerweise Ausdruck politischen Tuns wird. Hier wird sympathisiert mit anarchistischen Ideen, fleißig demonstriert und Anpassung grundsätzlich abgewertet.

Die Gründe also nicht Wählen zu gehen, scheinen vielfältig und teils sogar nachvollziehbar.

In einem Punkt jedoch sind sich alle der hier Betrachteten einig. Und zwar in der strikten Verneinung rechten Gedankenguts. Und gerade in Zeiten wie diesen kann solches dafür sorgen, dass zukünftige Wahlen sich an steigenden Wählerzahlen erfreuen dürfen. Das Aufkommen und Erstarken rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa, konkret in Deutschland der AFD, sorgt für Empörung und Entsetzen. Das einzig Positive, das man darin sehen kann, ist die notwendige und hoffentlich stattfindende Mobilisierung aller Nichtwähler, die ihre Gründe haben mögen, aber unter keinen Umständen in einem Land leben möchten, das Ausländerfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und jegliche andere Form der Diskriminierung akzeptiert und diesen Unmenschlichkeiten Einzug in die Parlamente gestattet.

HABERE YORUM KAT