Hanau ist überall

Hanau ist überall

Hanau ist überall- Tag des antirassistischen und antifaschistischen Widerstands- 8.Mai 2020

Unsere aktualisierte Erklärung:

24 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag am 18. Januar 1996 in Lübeck fand das rassistische Massaker in Hanau statt, bei dem am 19. Februar 2020 Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nessar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu und Vili Viorel Păun von einem Nazi ermordet wurden. Kurz danach verdrängt die Corona-Krise alles. Alle Reaktionen auf das rassistische Massaker in Hanau in öffentlichen Räumen, mussten abgesagt werden. Am 7. April 2020 wurde bereits der Nächste, der 15-jährige Arkan Hussein Khalaf, von einem 29 Jahre alten Nazi in Celle ermordet.

Wie Primo Levi für die Überlebenden des nationalsozialistischen Genozids formuliert hat: „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen; darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben“. 75 Jahre später liegt hier auch der Kern dessen, was wir zu tun haben.

Nach dem Massaker in Hanau haben sich Netzwerke aus Betroffenen und Unterstützer*innen gebildet, die einen antirassistischen Generalstreik für den 8. Mai 2020 planten. Außerdem gibt es dieses Jahr mehrere Initiativen in Hamburg, die einem Aufruf von Esther Bejarano folgen, in dem gefordert wird, den 8. Mai als Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus zu einem staatlichen Feiertag zu machen.

Damit verbinden sich Forderungen, die auch für die heute von Rassismus, Antisemitismus und neonazistischem Terror Betroffenen Gültigkeit haben: Eine tatsächliche Entnazifizierung Deutschlands; von organisierten Nazis, "besorgten Bürger*innen", Rassist*innen in den deutschen Behörden, Polizei und Justiz bis zu AfD-Nazis in den Parlamenten.

Das auch nach 75 Jahren der politische Wille hierzu fehlt, wurde im NSU Prozess deutlich gemacht. Elif Kubaşık, Witwe des am 4. April 2006 in Dortmund ermordeten Mehmet Kubaşık, erklärt nach fast zwei jähriger Wartezeit zum nun vorliegendem schriftlichen Urteil:

"Ich hatte so viele Fragen: Wie konnte eine bewaffnete Gruppe über Jahre hinweg faschistische Morde und Anschläge in Deutschland begehen? Warum wurden sie nicht gestoppt? Was wusste der Staat davon? Ich habe nicht verstanden, warum wir Ihnen kein Wort wert waren, warum Sie nicht mehr als die Anzahl der Schüsse erwähnten, mit denen Mehmet ermordet worden ist.

Das Urteil ist sehr lang. Aber warum haben Sie dann nicht wenigstens aufgeschrieben, wonach Sie uns gefragt haben, was Sie von all den Zeugen, von uns und allen anderen gehört haben, was diese Morde mit uns und unseren Familien angerichtet haben? Warum haben Sie nicht das aufgeschrieben, was herausgekommen ist über die vielen Helfer dieser Gruppe, was herausgekommen ist darüber, wer alles über diese drei Leute Bescheid wusste, wie nah der Staat ihnen war? Warum haben Sie nicht aufgeschrieben, dass man nicht die ganze Wahrheit finden kann, wenn Akten zerstört werden, wenn Zeugen lügen.

Es ist, als ob Mehmet nur eine Nummer für Sie gewesen ist, als ob es unsere Fragen nicht gegeben hätte. Wir wollten nichts Unmögliches. Wir wollten, dass Sie uns ernsthaft zuhören, uns, die schon vor allen andere ahnten, dass hinter den Morden Nazis stecken.

Die Hoffnung, Antworten zu erhalten, habe ich trotz allem und trotz Ihnen nicht ganz aufgegeben. Es gibt zu viele Menschen, die bis heute nicht loslassen, die für uns und für die ganze Gesellschaft um die Wahrheit kämpfen, die dafür sorgen, dass Mehmet und all die anderen Opfer nicht vergessen werden. Ihnen gilt meine Dankbarkeit.“

Der 8. Mai verbindet Vergangenheit und Gegenwart, verbindet Kontinuitäten rechten Terrors und verbindet uns in unseren Traumata und unseren Kämpfen.

Wir sind trotz Corona-Auflagen handlungsfähig.

Ursprünglich dachten wir an vielfältige Aktionsformen aller von Rassismus betroffenen Menschen und aller Antifaschist*innen. Aktuell ist die ursprüngliche Idee eines bundesweites Generalstreiks nicht realisierbar. Wir rufen auf, den 8. Mai zum Tag des antirassistischen Widerstands zu machen. In hunderten von Kulturhäusern, Theatern, Kinos, Buchläden, Jugendclubs, Häusern, Schulen, Kitas und Universitäten, anderen Bildungseinrichtungen, Werkstätten, Bäckereien, Restaurants, Türkischen Cafés und Shisha Bars, in den Kulturvereinen, Moscheen, Kirchen, Synagogen und sonstigen Begegnungsorten gibt es Fenster, Balkone und Außenwände, die uns Möglichkeiten bieten, Protest zu zeigen. Bundesweit überall. Grenzen für phantasievolle Kommunikationsformen unter Berücksichtigung der Corona-Auflagen gibt es nicht. Die Kommunikation läuft von Fenster zu Fenster, von Balkon zu Balkon und auf der Straße. Mit Transparenten, Karton-Sprüchen, Projektionen, allem was sonst bei Demonstrationen auf der Straße mit sich getragen wird, können am 8. Mai 2020 antifaschistische, antirassistische, antikolonialistische Forderungen sowie Forderungen gegen Antisemitismus und Antiziganismus sichtbar gemacht werden.

Auch wenn wir mit Ausnahmezuständen konfrontiert sind, die uns zu Handlungsbeschränkungen zwingen, ist es möglich, und unsere Inhalte, Statements, Forderungen etc. am 8. Mai in die Gesellschaft zu tragen.

Es ist möglich:

o Angemeldete Aktionen in den öffentlichen Räumen und virtuelle Räume visuell und akustisch zu bespielen

o Eigene Räume (Balkone, Fenster, Dächer usw.) für politische Statements zu nutzen

o Spaziergänge zu machen und Schilder oder beschriftete Masken mit sich zu führen –es gab allerdings in der Vergangenheit Bußgeldforderungen gegen Menschen, die Transparente allein oder zu zweit hochhielten oder Dinge taten, die "andere Menschen anziehen", also eine Versammlung einleiten könnten. Welche Dinge das sind, unterliegt relativer Willkür. Kleidungsstücke, Masken, Schilder an Fahrrädern, Schirme, etc. sollten kein Problem sein, Transparente und Fahnen allerdings sind besser innerhalb genehmigter Mahnwachen zu nutzen und sonst am Boden zu tragen. Daher werden wir versuchen, solche dezentral anzumelden, um Räume für Protest zu schaffen.

Über konkrete Aktionen in Hamburg werden wir euch auf unseren Kanälen informieren, prinzipiell gilt aber: Eurer Kreativität sind im Rahmen des Möglichen keine Grenzen gesetzt. Was wir in Großdemonstrationen schaffen, schaffen wir auch dezentral.

Auch mit Abstand – und nur, wenn wir sehr viele Menschen aktiv mitmachen, sind wir auf der Straße sichtbar. Trotz eingeschränkter Handlungsspielräume ist es möglich, dass wir “Gesicht zeigen“. Wenn tausende Menschen es sich in den Kopf setzen, ist es auch machbar, dass wir am 8. Mai unsere Trauer in Wut, Zorn und Widerstand umwandeln und zeigen, dass wir das Massaker in Hanau, die ermordeten Migrant*innen und auch die Bedeutung dieses Tages für die deutsche Geschichte nicht vergessen haben.

Unter den Hashtags #HanauIstUeberall #NieWieder #SayTheirNames #8.MaiFeiertag und #SelbstverteidigungGegenRassismus könnt ihr eure Forderungen, Statements und Aktionen dokumentieren und verbreiten. Weitere Aktionen anderer Gruppen werden unter den Hashtags #entnazifizierung #migrantifa und #tagderbefreiung dokumentiert.

Lasst uns am 8 Mai 2020 trotz alle dem aus der Reihe tanzen!

Aktuell Informationen
Facebook: https://www.facebook.com/hanauistueberall/
Twitter: https://twitter.com/HanauDes
Mail: Email: [email protected]

Aktionsbündnis "Hanau ist überall" Hamburg

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